Da stehe ich nun und betrachte „meinen“ Fluss.
Vom Wohnzimmerfenster unseres Hauses aus. Von oben herab, wie auf einer Aussichtsplattform.
Blau zieht er heute vorbei.
Tiefblau und strahlend.
Gesäumt von noch braunen Auwald.
Ich schalte die Kaffeemaschine ein, bestaune den Fluss und versinke dabei in wechselnde Blautöne.
Jetzt erst kann mein Tagwerk beginnen.
Ein liebgewonnenes Ritual, über Jahrzehnte kultiviert.
Das beruhigende Fließen, einem tiefen Ein und Ausatmen gleichzusetzen.
Täglich derselbe Anblick, nur die Farben variieren.
Nur die Stürme, machten meinen Ausblick lichter und weiter.
Ich mag das strahlende Blau.
Als meine Freundin Hermine, noch neben mir wohnte, freuten wir uns wie Kinder an unserem Zauberdenken.
„Stell dir vor, der Fluss wäre das Meer! Wir würden in der ersten Reihe wohnen! Und im Sommer würden wir nichts arbeiten, nur unsere Zeit am Strand verbringen. Der Nachmittag würde den vielen Kindern, Essen und Sandspielzeug gehören. Nur am frühen Morgen und am Abend würde uns zwei das Meer alleine haben, zum reden und Nacktbaden.“
Wir liebten diese Vorstellung, hin und wieder verfallen wir der Sehnsucht nach Meer und geben ihr nach.
Täglich aber bedanke ich mich beim Inn, da er mir ein zuverlässiger Begleiter geworden ist und mir das morgendliche Ritual der Achtsamkeit und Freude schenkt.